So erlebten wir den Lockdown – Erfahrungsbericht aus der Modellregion Lippe

Allein schon wegen ihres Alters sind alle Patienten, die wir im Projekt RubiN betreuen, durch Covid-19 besonders gefährdet. Um eine Ansteckung auszuschließen, haben wir früh reagiert und unsere sonst regelmäßig stattfindenden Hausbesuche bis auf Weiteres abgesagt. Unsere Patienten haben diese Entscheidung sehr verständnisvoll aufgenommen. Viele wollten aus Angst vor einer Infektion auch selbst keinen Besuch empfangen.

Der Verzicht auf Hausbesuche hat für uns zu keinem Zeitpunkt einen Rückzug aus der Betreuung bedeutet. Stattdessen haben wir andere Wege gefunden, um für unsere Patienten da zu sein. Auch während der Hochphase des Lockdowns waren unsere Care- und Casemanager unermüdlich für ihre jeweiligen Patienten im Einsatz. So haben wir beispielsweise Anleitungen und Material für unser Handkrafttraining per Post verschickt. Weil Datenerhebungen vor Ort nicht denkbar waren, haben wir unsere Assessments so weit wie möglich telefonisch durchgeführt.

Unsere unter normalen Umständen sehr beliebte Rehasportgruppe musste aus Gründen des Infektionsschutzes leider auch ausfallen. Manche unserer Patienten, konnten selbstständig alternative Betätigungen finden, andere litten jedoch mehr unter der eingeschränkten Bewegungsfreiheit. Dabei haben wir den Eindruck gewonnen, dass Patienten mit Angehörigen weitaus besser mit den neuen Herausforderungen umgehen konnten als solche, die allein leben und keine Familie um sich haben. Diese Beobachtung trifft neben der Mobilität auch auf ein Gefühl der Einsamkeit und Isolation zu, von dem uns viele Patienten berichtet haben. Während des Lockdowns haben wir in der Modellregion Lippe daher eine Postkarten-Aktion gestartet, für die wir viel Dankbarkeit erfahren haben.

Inzwischen absolvieren unsere Care- und Casemanager wieder regelmäßig Hausbesuche. Um weiterhin eine Infektion zu verhindern, findet vor jedem Besuch eine individuelle Risikoeinschätzung statt, die sich an einer Vorlage der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) orientiert. Bei den Hausbesuchen werden nun auch die Assessments nachgeholt, die wir in der Zwischenzeit nicht absolvieren konnten. Dies betrifft vor allem eine Erhebung zu kognitiven Einschränkungen (Demtect) und eine weitere zu Einschränkungen der Mobilität (TUG). Die Auswertung der Assessments wird zu einem späteren Zeitpunkt zeigen, ob die Eindrücke, die wir während des Lockdowns gewonnen haben, auch in den Daten wiederzufinden sind.

Eins steht aber schon jetzt fest: Nach Wochen in relativer Isolation sind viele unserer Patienten froh, dass wir wieder zu Besuch kommen. Das zeigt sich nicht zuletzt in einem hohen Gesprächsbedarf seitens der Patienten. Zudem stellen wir fest, dass in der Zwischenzeit oftmals neue Koordinationsbedarfe entstanden sind. Das hat zur Folge, dass wir nun viele der individuellen Hilfepläne ändern und erweitern müssen. Denn trotz Corona gilt: Die Arbeit geht weiter!

So könnte Care- und Casemanagement im Gesetz verankert werden

Im Projekt RubiN beschäftigen wir uns seit Jahren mit der Frage, wie Risikopatienten im Alter über 70 Jahren eine individuelle Begleitung und geeignete Versorgungsangebote zuteilwerden können. Seit dem Start des Projekts konnten wir einen guten Überblick darüber gewinnen, wie Care- und Casemanagement regional qualitativ hochwertig aufgebaut und umgesetzt werden muss. Auch den Aufwand, der dadurch entsteht, können wir konkret beziffern.

Diese Erkenntnisse wollen wir jetzt verstärkt dafür einsetzen, um für eine Fortführung und bundesweite Ausweitung des Care- und Casemanagements zu werben. Denn für RubiN tickt die Uhr. Ende 2020 läuft die Förderung aus dem Innovationsfonds für den Einsatz von Care- und Casemanagerinnen aus – mit ernsten Konsequenzen für die betreuten Risikopatienten, die plötzlich ohne professionelle Hilfestellungen dastehen. Außerdem möchten wir, dass Patienten, die wegen einer oder mehrerer Erkrankungen Hilfebedarf haben überall begleitet werden und nicht nur in einzelnen Modellprojekten. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass ein Leistungsanspruch auf das Care- und Casemanagement in der Gesetzgebung verankert wird.

Eine erste Grundlage dafür ist unser Positionspapier, das mittlerweile von mehr als 25 Projekten und Organisationen unterstützt wird. Darin forderten wir bereits2019 einen gesetzlichen Anspruch auf Care- und Casemanagement. Auf der Basis dieses Konzepts haben wir nun in Abstimmung mit der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe einen Vorschlag für einen Gesetzestext ausgearbeitet.

Der Vorschlag wurde bereits an verschiedenen Stellen auf Länder- und Bundesebene eingereicht. Wir sind beeindruckt von dem großen Interesse an diesem Thema! Unser Vorschlag wird aktuell von mehreren politischen Akteuren ernsthaft geprüft.

Für die kommenden Wochen und Monate hoffen wir jetzt auf einen verstärkten Austausch über eine mögliche Einführung des Care- und Casemanagements. Gerade unter Pandemiebedingungen erscheint es uns sehr dringlich, die Anwaltschaft besonders der alleinlebenden alten Menschen in Deutschland zu übernehmen und die Diskussion über strukturierte und verlässliche Hilfen mit unserem Vorschlag zu beleben. Denn in Zeiten der Not ist der Bedarf nach Menschlichkeit groß.

Im Einsatz für mehr Selbstbestimmung im hohen Alter

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. (BAGSO) fordert in einer Mitteilung vom 02. April  2020 eine weltweite Konvention zur Stärkung der Rechte Älterer. Der Verband zielt darauf ab, die Teilhabemöglichkeiten, die soziale Lage und den Schutz von Senioren in verletzlichen Lebensphasen zu verbessern.

Viele Beispiele zeigen, dass ein hohes Alter einem aktiven und engagiertem Alltag nicht im Weg stehen muss. Senioren sind also nicht per Definition hilfsbedürftig. Für diejenigen, die Hilfe benötigen, ist diese zum Teil aber nur schwer erreichbar. Zu viele Senioren leben zurückgezogen, sind überfordert und leiden unter gesundheitlichen Problemen, die nicht angemessen versorgt werden. Das gilt umso mehr, weil das Telefon in diesen Zeiten bei vielen Betroffenen die einzige Verbindung zur Außenwelt darstellt. Digitale Kommunikationsmittel stehen vielen gar nicht zur Verfügung. Deshalb leben viele Senioren jetzt noch isolierter als zuvor. An eine gewöhnliche soziale Teilhabe ist unter diesen Umständen kaum zu denken.

Im Projekt RubiN werden Risikopatienten im Alter über 70 Jahren deshalb von ausgebildeten Care- und Casemanagern begleitet. Nach einer Analyse des individuellen Unterstützungsbedarfs können die Care- und Casemanager ihre Patienten zu geeigneten Versorgungsangeboten lotsen. Dazu zählen beispielsweise Arztbesuche und in normalen Zeiten auch Sportgruppen oder andere soziale Angebote. Außerdem können die Care- und Casemanager helfen, wenn ein Pflegegrad oder beispielsweise eine neue Gehhilfe beantragt werden muss. Zusätzliche Maßnahmen wie ein Handkrafttraining für zu Hause unterstützen die betreuten Risikopatienten bei der Beibehaltung ihrer Alltagskompetenz.

In der Summe sollen diese Maßnahmen Senioren helfen, möglichst lange gesund, aktiv und im eigenen häuslichen Umfeld zu bleiben. Die Befähigung zu einem möglichst selbstständigen Alltag gehört zu den Kernanliegen des Care- und Casemanagements. RubiN leistet somit einen wichtigen Beitrag für mehr Selbstbestimmung im hohen Alter – auch in Corona-Zeiten.

Care- und Casemanagement zu Corona-Zeiten

Für die 3.200 Risikopatienten, die wir in unseren fünf Modellregionen betreuen sind schwere Zeiten angebrochen. Alle von Ihnen sind über 70 Jahre alt und ein Großteil leidet unter Vorerkrankungen, die bei einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus einen milden Verlauf eher unwahrscheinlich machen. Wie können unsere Care- und Casemanager in dieser Situation am besten für ihre betreuten Patienten da sein?

Wegen der Gefahr, die bei einer Ansteckung droht, steht der Schutz der Risikopatienten für uns an erster Stelle. Er bestimmt jetzt die Arbeit der Care- und Casemanager, die dafür ihren Alltag in weiten Teilen umgestaltet haben. Die sonst üblichen Hausbesuche sind in dieser Situation kaum sinnvoll, deshalb findet die Betreuung in diesen Tagen primär telefonisch statt. Dabei merken wir, wie die Isolation unseren Patienten zusetzt. Depressive Tendenzen treten beispielsweise verstärkt zutage. Wir können Betroffene damit nicht allein lassen, also werden Telefonketten und ehrenamtliche Helfer aktiviert. Verstärkt geht es darum, dass einfach jemand erreichbar ist und zuhört, auch wenn das derzeit nur über das Telefon möglich ist. Um unsere Risikopatienten in der Isolation zu unterstützen, organisieren wir außerdem Einkaufshilfen.

In mehreren Modellregionen ist inzwischen auch eine Mundschutz-Produktion angelaufen. Mit etwas Stoff, Draht und Faden kann jeder zuhause einen einfachen, waschbaren Mundschutz nähen, der die Tröpfchenverteilung und damit die Ansteckungsgefahr zumindest ein bisschen minimeren kann. Unser Ausbildungspartner GeriNet Leipzig e.V. hat eine entsprechende Anleitung veröffentlicht.

Diese Maßnahmen können natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Die aktuelle Situation stellt unser Projekt insgesamt vor große Herausforderungen. Gleichzeitig wird mehr denn je deutlich, wie wichtig eine niedrigschwellige Koordination und Unterstützung für viele im hohen Alter sein kann, die sonst schnell überfordert, abgehängt und vergessen sind. Das Engagement unserer Care- und Casemanager ist in dieser schwierigen Zeit deshalb ungebrochen. Wir bleiben dran und werden weiterhin so gut wie möglich für unsere Risikopatienten da sein!

Zwischenauswertung für den Besuch der Patientenbeauftragten: Wirkt RubiN wirklich?

Am 25. Februar durften wir die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Dr. Claudia Schmidtke, in unserer Modellregion Herzogtum Lauenburg begrüßen. Bei dieser Gelegenheit konnten wir einen lebendigen Eindruck aus dem Alltag der Care- und Casemanager vermitteln und die Patientenbeauftragte über den aktuellen Stand des Projekts informieren. Neben dem messbaren Nutzen des Care- und Casemanagements spielen dabei die regionale Umsetzung und das unmittelbare Schließen von Versorgungslücken eine wichtige Rolle.

Eigens für den Besuch der Patientenbeauftragten wurde eine kleine Zwischenauswertung zum Mehrwert einzelner Maßnahmen aus RubiN angefertigt. Diese Auswertung ist keinesfalls mit der umfangreichen wissenschaftlichen Evaluation zu vergleichen, die für das Ende der Projektlaufzeit geplant ist. Dennoch vermittelt sie einen ersten Einblick in die tatsächlichen Effekte der Betreuung durch die Care- und Casemanager.

Im Fokus stehen dabei niedrigschwellige Instrumente wie das Handkrafttraining. Hier werden Wäscheklammern, Gummibänder und anderen Alltagsgegenstände zu einfachen Trainingsgeräten umfunktioniert. Wie die Zwischenauswertung jetzt zeigt, trägt ein regelmäßiges Training in der Tat zu einer Stärkung der Muskeln bei. Bereits nach wenigen Wochen konnte eine durchschnittliche Zunahme der Handkraft um 9,7 Prozent (linke Hand) bzw. 11,5 Prozent (rechte Hand) gemessen werden. Für die Teilnehmer bedeutet das einen Zugewinn an Lebensqualität, weil etwa das Öffnen von Trinkflaschen oder von Türen wieder leichter fällt.

Ein weiterer Bestandteil der Zwischenauswertung ist eine vorläufige Kostenrechnung des Care- und Casemanagements. Diese beantwortet die wichtige Frage, wie groß der durchschnittliche Zeitbedarf pro Betreuung ausfällt und welche Kosten damit insgesamt verbunden sind. Auch diese Werte stellen ausdrücklich keine finale Auswertung dar, ermöglichen aber bereits ein erstes Abschätzen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses beim Care- und Casemanagement. Bis alle Daten am Ende der Projektlaufzeit von unseren Evaluationspartnern abschließend analysiert sind, dienen diese Zahlen als Bezugspunkt. Das gilt auch für unsere Anstrengungen, das Care- und Casemanagement in die Regelversorgung einzuführen. Hierfür sind diese vorläufigen Erkenntnisse Ermutigung und Ansporn zugleich!

Niedersachsen diskutiert die sektorenübergreifende Versorgung

Vertreter der Krankenkassenlandschaft, der Gesundheitspolitik, der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung kamen am 19. Februar in Hannover zum 2. Versorgungsdialog zusammen. Eingeladen hatte die BARMER gemeinsam mit der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Nds.

Im Rahmen des Versorgungsdialogs wollen die Veranstalter Visionen und Konzepte für eine sektorenübergreifende Versorgung diskutieren. Eine spannende Perspektive bietet in diesem Zusammenhang das Care- und Casemanagement aus RubiN, das deshalb in einem Vortrag erläutert wurde. Die Care- und Casemanager, die in dem Projekt zum Einsatz kommen, verfügen über ein tiefes Wissen regionaler Versorgungsangebote und können diese somit bedarfsgerecht und sektorenübergreifend vermitteln. Sonja Laag, die das Projekt als Konsortialführerin leitet, betonte wie dadurch neue Versorgungsstrukturen geschaffen werden und welche Entwicklungen nötig sind, um diese zu etablieren. Genaueres konnten die Besucher der Veranstaltung am Aussteller-Stand von RubiN erfahren, der von unserer niedersächsischen Modellregion Ammerland / Uplengen / Wieesmoor betreut wurde.

In Fachkreisen ist das Konzept des Care- und Casemanagements nicht mehr unbekannt. Auch das Projekt RubiN erfreut sich einer wachsenden Bekanntheit. Veranstaltungen wie der Versorgungsdialog in Hannover sind daher eine gute Gelegenheit, weiter für RubiN zu werben und damit für die Rolle des Care- und Casemanagements in der Gesundheitsversorgung der Zukunft.

Ankündigung: Patientenbeauftragte informiert sich über RubiN

Am 25. Februar wird sich die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Dr. Claudia Schmidtke, MdB, im Herzogtum Lauenburg, der nördlichsten Modellregion, über das Projekt RubiN informieren. Bei dem Termin im Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow wird es in erster Linie darum gehen, der Herzchirurgin Prof. Dr. Schmidtke einen detaillierten Einblick in die tägliche Arbeit der RubiN Care- und Casemanagerinnen im häuslichen Umfeld von älteren Menschen zu vermitteln.

Nachlassende Handkraft, Schmerzen, Inkontinenz und Schwindel zählen zu den Umständen, die ein selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden sehr beschwerlich machen können. Deshalb werden in RubiN verschiedene Maßnahmen kombiniert, die darauf abzielen, den Betroffenen Hilfestellungen zu geben. Dazu zählt etwa das im Projekt selbst konzipierte Handkrafttraining. Ziel ist dabei die Stärkung der Alltagskompetenz der Senioren.

Derzeit werden 3200 Patienten in den fünf Modellregionen von RubiN betreut. Aktuelle Erfolge und Herausforderungen bei der Umsetzung wollen wir Frau Prof. Dr. Claudia Schmidtke bei ihrem Besuch vorstellen.

Die Arbeit der Care- und Casemanager spielt bei dem Projekt eine elementare Rolle, ebenso wie die interdisziplinäre Koordination und Kooperation, die in Lauenburg vermehrt auch durch digitale Visiten erfolgt. Hierdurch kann der notwendige Austausch stattfinden, ohne dass dabei unzählige Kilometer Autofahrt im Flächenland Lauenburg erforderlich sind. Wie genau das funktioniert, werden die Schmerztherapeutin und Fachärztin für Anästhesiologie, Frau Dr. med. Susanne Westermann mit einer Care- und Casemanagerin in einer Video-Fallkonferenz anhand eines konkreten Falls aus ihrem Arbeitsalltag darstellen.

Der Besuch der Patientenbeauftragten im Herzogtum Lauenburg wurde im November bei einem persönlichen Gespräch in Berlin vereinbart. Nun freuen wir uns auf die nächste
Gelegenheit zum Austausch!

Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und RubiN kämpfen gemeinsam für die Einführung des Care- und Casemanagements

Sowohl die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe als auch das Innovationsfondsprojekt RubiN setzen sich schon seit längerem für das Care- und Casemanagement ein. Bei RubiN etwa werden 3.200 Risikopatienten im Alter über 70 Jahren von Care- und Casemanagern (CCM) betreut und somit bei einer möglichst selbstständigen Lebensweise im häuslichen Umfeld unterstützt. Das Projekt erhält rund 8,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist ihrerseits federführend am Projekt STROKE OWL beteiligt, bei dem Schlaganfall-Lotsen rund 1.600 Schlaganfall-Patienten zu mehr Lebensqualität im Alltag verhelfen. Das Projekt wird mit 7,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung unterstützt.

Die beiden Partner wollen nun ihre Kräfte bündeln und gemeinsam für die deutschlandweite Etablierung des Care- und Casemanagements eintreten. Dazu haben RubiN und die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe eine strategische Kooperation vereinbart. Ziel der Zusammenarbeit ist die gesetzliche Verankerung des Leistungsanspruchs von Erkrankten mit komplexem Versorgungsbedarf auf ein Care- und Casemanagement.

Konkret fordern RubiN und die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe eine Aufnahme des Care- und Casemanagements in die Sozialgesetzbücher, insbesondere in das fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Indikationsstellung und Verordnung sollen grundsätzlich durch den behandelnden Arzt erfolgen. Dafür soll dieser eine Vergütung erhalten. Zentral ist außerdem die Frage, wie die Leistungserbringer für das Care- und Casemanagement definiert werden und wie deren Zulassung erfolgen kann. Definiert gehört ebenfalls die Vergütung für die Leistung, die nach Schweregraden, und somit nach dem Aufwand der Unterstützung, differenziert werden kann.

Wie genau das Care- und Casemanagement in die Sozialgesetzgebung einfließen kann, bereiten RubiN und die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in den kommenden Wochen im Rahmen einer Klausurtagung vor. Dabei werden auch Fachjuristen zu Rate gezogen. Eine wichtige Diskussionsgrundlage ist dabei das Positionspapier von RubiN zur Überführung in die Regelversorgung.

Tagebuch einer Casemanagerin – Yvonne Lorenz

Yvonne Lorenz ist Care- und Casemanagerin in unserer nördlichsten Modellregion, dem Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein. In einem Beitrag, der zuerst im Magazin vernetzt + versorgt erschienen ist, stellt sie den den Fall von Frau Schneider* vor, die von ihr im Rahmen des Care- und Casemanagements betreut wird. Frau Schneider ist 82 Jahre alt, verwitwet und hat keine Kinder, allerdings eine Zwillingsschwester. Hausärztlich versorgt wird sie von einer Praxis in Schwarzenbek, wo sie alleine in einer kleinen Wohnung im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses wohnt.

Februar 2019

Yvonne Lorenz wurde von der Schwarzenbeker Hausarztpraxis gebeten, einen ersten Hausbesuch zur Erfassung des Unterstützungsbedarfs bei Frau Schneider vorzunehmen. Nach einem ausgiebigen Gespräch mit Frau Schneider stellt sich heraus, dass sie ihre Wohnung seit etwa einem Jahr nicht mehr verlassen hat, da sie aufgrund starker Schmerzen im Rücken und im Hüftbereich die Treppen nicht mehr gehen kann. Zudem ist ihr Vermieter nicht bereit, die Kosten für den Einbau eines Treppenlifts zu übernehmen, ein Fahrstuhl ist auch nicht vorhanden. Frau Schneider ist aufgrund ihrer familiären Situation vollständig auf fremde Hilfe angewiesen. Ihre Zwillingsschwester sei ohnehin viel zu sehr damit beschäftigt, sich um ihren pflegebedürftigen Mann zu kümmern und hat bereits selbst zwei Schlaganfälle hinter sich, so die Erläuterungen Schneiders. Die Einkäufe von Frau Schneider und weitere kleine Erledigungen im Haushalt übernimmt ihre Nachbarin für sie. Ansonsten versucht Frau Schneider alles weitere allein zu erledigen, was allerdings immer mit sehr großen Schmerzen verbunden ist. Auch Schmerzmedikamente, die von einem ambulanten Pflegedienst gestellt werden, helfen nicht. Ein Pflegegrad sei laut Schneider schon mal beantragt worden, dieser wurde allerdings abgelehnt, weshalb sie den Antrag nicht noch einmal stellen möchte. Auch wegen ihrer Hüfte sollte sie mehrfach untersucht werden, die Termine wurden von ihr allerdings immer wieder aufgeschoben. Nach fast zwei Stunden Gespräch verlässt Frau Lorenz die Wohnung im ersten Stock und vereinbart einen neuen Termin im April. Frau Schneider scheint nach dem Termin sehr nachdenklich und bittet, dass sie bis zum nächsten Besuch ein wenig Zeit brauche, um sich neu zu ordnen. Es sieht so aus, dass Frau Schneider über die Jahre viele ihrer gesundheitlichen Bedarfe einfach verdrängt hat, die nun durch das Gespräch mit Frau Lorenz wieder in den Vordergrund gerückt sind.

April 2019

Folgebesuch durch Yvonne Lorenz: Frau Schneider ist nun viel gesammelter und sehr entschlossen, endlich etwas gegen ihre Hüft- und Rückenschmerzen zu tun. Diese schränken sie so stark ein, dass selbst kleine Tätigkeiten im Haushalt kaum noch möglich sind. Daraufhin vereinbart Frau Lorenz in Absprache mit dem Hausarzt noch für den gleichen Tag einen Termin zum Röntgen in Ratzeburg. Es stellt sich heraus, dass bei Frau Schneider eine deutlich fortgeschrittene Arthrose in der Hüfte vorliegt. Sie soll deshalb ein neues Hüftgelenk erhalten, zuvor stehen jedoch noch einige Voruntersuchungen an, welche Lorenz zusammen mit dem Hausarzt koordiniert. Nachdem diese erfolgten, bekommt Frau Schneider einen OP-Termin im DRK-Krankenhaus Mölln-Ratzeburg für Anfang Juni. Nach einer Woche im Krankenhaus und anschließend drei Wochen geriatrischer Reha wird Frau Schneider nach Hause entlassen. Am selben Tag ruft sie Yvonne Lorenz an und berichtet, dass die OP ein voller Erfolg gewesen sei und dass sie nun gern einen neuen Termin bei ihr zu Hause vereinbaren möchte.

Beim nächsten Treffen im September wird Yvonne Lorenz von einer völlig ausgewechselten Frau Schneider begrüßt. Wie es ihr mit dem künstlichen Hüftgelenk, den Schmerzen und ihren weiteren Einschränkungen im Alltag ergeht, erfahren Sie ab Seite acht im Magazin vernetzt+versorgt, das von unserem Projektpartner, dem Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V., herausgegeben wird.

* Name geändert

KBV/AdA-Praxisnetztagung: Erfolgreiche Projekte im Innovationsfonds

Unter dem Motto „Kooperation, Koordination, Innovation“ trafen sich am 13. Dezember Vertreter der rund 400 deutschen Ärztenetze zur jährlichen KBV/AdA-Praxisnetztagung in Berlin. In den Räumlichkeiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ging es diesmal vor allem um die Frage, wie Praxisnetze sich heute und in Zukunft in die vertragsärztliche Versorgung einbringen können. Dabei geht es nicht zuletzt um Projekte, die Ärztenetze im Innovationsfonds umsetzen. Aus diesem Grund war im Rahmen eines Workshops zum Thema „Versorgung durch Praxisnetze – Erfolgreiche Projekte im Innovationsfonds“ auch RubiN auf der Praxisnetztagung vertreten.

Denn bei RubiN sind es die Ärztenetze, die mithilfe der bei ihnen angestellten Care- und Casemanager neue Mehrwerte für Ärzte und Patienten schaffen. Die Betreuung der geriatrischen Patienten in RubiN dient zwar vor allem einer besseren Gesundheitsversorgung von geriatrischen Patienten. Davon profitieren aber auch die beteiligten Ärzte. Sie werden durch den Einsatz der Care- und Casemanager bei der Betreuung ihrer Risikopatienten entlastet und unterstützt. Somit bietet RubiN für Mitgliedsärzte der teilnehmenden Netze eine attraktive Perspektive.

Wie bei den weiteren Initiativen, die im Rahmen der Praxisnetztagung präsentiert wurden, gilt das bis zur Einführung des Konzepts in der Regelversorgung zunächst nur im Innovationsfonds. Hier wird jedoch eine wachsende Brandbreite an Förderinitiativen aus den Reihen der Ärztenetzen umgesetzt. Damit wird deutlich, dass die Netze für die Gesundheitsversorgung der Zukunft an Bedeutung gewinnen können. Die Projekte aus dem Innovationsfonds spielen dabei eine besondere Rolle, denn hier wird bereits heute erprobt, was Ärztenetze flächendeckend umsetzen könnten. Im Bereich des Care- und Casemanagements ist das, wie auf der Praxisnetztagung sichtbar wurde, vor allem RubiN.