BARMER Pressemitteilung: Patientenlotsen unterstützen Risikopatienten im Alter Projekt RubiN als Blaupause für Vorgabe aus Koalitionsvertrag

Kiel, 16. Februar 2022 – Die Ampelregierung fordert, mehr Fortschritt zu wagen. Explizit werden im Koalitionsvertrag die Patientenlotsen genannt. Denn viele ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen und altersbedingten Ein-schränkungen können ihren Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen. Eine abgestimmte Hilfeleistung sucht man vergebens. Dabei benötigen gerade ältere Patienten zur Wahrung ihrer Selbstständigkeit eine umsichtige Versorgung, die Medizin, Pflege, Therapie und auch vielfältige soziale und häusliche Hilfen koordiniert. „Mit dem Innovationsfondsprojekt RubiN – der Name steht für „Regional ununterbrochen betreut im Netz“ – wurde unter Berücksichtigung des Lebensumfeldes der Patientinnen und Patienten ein umfassendes Care- und- Case-Management für die Versorgung von geriatrischen Patienten entwickelt. In der über dreijährigen Projektzeit konnten nicht nur viele praktische Erfahrungen gesammelt, sondern auch die Aktivitäten evaluiert und eine Rechtsexpertise erstellt werden. Damit ist RubiN eine Blaupause dafür, was die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag fordern, sprich, die regelhafte Einführung von Patientenlotsen“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der BAR- MER in Schleswig-Holstein. „In RubiN arbeiten die niedergelassenen Haus- und Fachärzte eng mit den Patientenlotsen zusammen, die auch die Brücken zu Pflegediensten, Krankenhäusern sowie kommunalen sozialen Einrichtungen schlagen“, erläutert Markus Knöfler, Geschäftsführer des Praxisnetzes Herzogtum-Lauenburg, einem von insgesamt acht bundesweit am Projekt beteiligten Praxisnetzen.

Evaluation zeigt hohe Zufriedenheit und Akzeptanz

Von vier Evaluationsinstituten werde wissenschaftlich untersucht, ob mit dieser neuen und innovativen Versorgungsform der Gesundheitszustand und die Versorgungssituation geriatrischer Patienten verbessert werden könne. Erste Ergebnisse zur Patienten- und Angehörigenzufriedenheit liegen aus der Universität zu Lübeck vor. „Die ersten Ergebnisse zeigen eine hohe Zufriedenheit und Akzeptanz mit der RubiN-Versorgung“, sagt Prof. Katja Götz von der Universität Lübeck. Danach waren 78,1 Prozent der Angehörigen mit der angebotenen Versorgung sehr zufrieden. 87,6 Prozent würden die Patientenlotsen weiter- empfehlen. Über 80 Prozent waren mit der Erreichbarkeit ihrer Ansprechpartner sehr zufrieden. Insgesamt wurden in RubiN Daten von rund 4.100 Patienten ausgewertet. 64 Prozent der an RubiN teilnehmenden Personen sind Frauen, der Altersdurchschnitt liegt bei 81,6 Jahren. 38 Prozent der Studienteilnehme- rinnen und -teilnehmer leben alleine, 71 Prozent gaben an, von der Familie sozial unterstützt zu werden. Bis zum Frühjahr wird der vollständige Evaluationsbericht erstellt. Hierzu gehört weiterhin eine gesundheitsökonomische Analyse zur Wirtschaftlichkeit der neuen Versorgung. Neben der Universität zu Lübeck begleiten die Universitäten Greifswald und Frankfurt sowie das Berliner Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav) die Evaluation. Da das RubiN- Modell als interprofessionelle und integrierte Versorgungsform über Praxis- netze umgesetzt wurde, werden auch Erfahrungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit einbezogen.

Der Weg in die Regelversorgung

Ausgesprochen komplex sind die rechtlichen Anforderungen bei sozialgesetzbuchübergreifenden Versorgungsangeboten, wie es das Care-und-Case-Management ist, das Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung berührt. „Für eine vernetzte und interprofessionelle Versorgung sind drei Dinge neu zu entwi- ckeln: der Kreis der zukünftigen Leistungserbringer, ihre Zulassungsvoraussetzungen und die Zulassungsverfahren“, erläutert Medizinrechtler Dr. Dr. Thomas Ruppel aus Lübeck, der eine Rechtsexpertise zum Projekt erstellt. Zugleich müssten die Leistungsansprüche der Versicherten ebenso wie künftige Vergütungsstrukturen neu ausgestaltet werden. Mit der Fortentwicklung des Berufsbildes der Patientenlotsen sei auch deren Rolle im Gefüge der ärztlichen und sogenannten „nicht-ärztlichen“ Leistungserbringung neu zu bestimmen, etwa in der Abgrenzung zu delegatorischen ärztlichen Aufgaben, bei Haftungsfragen und im Berufsrecht.

Modernisierung der Rechtsgrundlagen erforderlich

„Wir müssen uns äußerst komplexen Rechtsfragen stellen, wenn wir eine vernetzte und interprofessionelle Versorgung nicht nur auf dem Papier fordern, sondern sie in die Tat umsetzen wollen“, sagt Dr. Bernd Hillebrandt. „Rechtsgrundlagen veralten genauso wie Technik. Wenn wir die alten Versorgungsstrukturen mit einem VHS-Rekorder vergleichen und eine neue Versorgungsform wie das Care- und Case-Management mit Netflix, dann versuchen wir seit vielen Jahren Netflix auf VHS zu streamen. Das kann nicht klappen“, so Hillebrandt weiter. Die BARMER setze sich mit RubiN für die Modernisierung der Versorgungsstrukturen ein, die die jeweiligen Leistungen und Versorgungs- schritte besser aufeinander abstimme und damit patientenorientierter mache.

Weitergehende Infos der Pressekonferenz als PDF / zum Download:

Achtung: Geänderte Telefonnummer und Besucheradresse in Leipzig

Ansprechpartner*innen für Leipzig –
RubiN – Care- und Casemanagement

Lysann Kasprick
kasprick@carecoordination.de
Lukas Weiss
weiss@carecoordination.de

Besucheradresse in Leipzig/ Stötteritz:
GeriNet e.V./ Competence Center Care Coordination
Praxis für Care- und Casemanagement
Kolmstraße 2, I. OG
04299 Leipzig

Bitte sprechen Sie langsam und deutlich Ihren Namen und Rückrufnummer auf folgenden Anrufbeantworter – wir rufen Sie umgehend zurück:
Tel.: 0341 – 24 82 52 81

Fax: 0341 – 67 902430

Leipzig: Bastelaktion gegen die Einsamkeit

Die Corona-Pandemie ist nicht nur für Kliniken und Pflegeheime eine starke Belastung, sondern insbesondere auch für ältere Menschen, die allein leben. Für uns im Projekt RubiN ist es wichtig, dass wir diese Menschen im herannahenden Corona-Winter nicht aus den Augen verlieren. Wie das funktionieren kann, haben die ehrenamtlichen Helfer der Leipziger Grünen Damen und Herren gezeigt. Gemeinsam mit den Alltagsbegleiter*innen wurde auch in diesem Jahr das Weihnachtsbasteln mitorganisiert und durchgeführt.

RubiN-Patienten trafen sich dabei in vorangemeldeten Kleinstgruppen unter der Leitung von Sonja Deubel, um gemeinsam Weihnachtskarten und Dekorationen für die Patienten des Leipziger Parkkrankenhauses und des Herzklinikums herzustellen. In den kommenden Wochen können die handgefertigten Resultate der Aktion dort von denjenigen gekauft werden, die ihren Angehörigen eine Freude machen wollen.

Im Vordergrund der Bastelaktion steht die gemeinsame Zeit, denn emotionale Tiefschläge können jeden treffen. Kurzweilige Aktionen wie diese sind ein gutes Beispiel für das hohe Engagement der ehrenamtlichen Helfer, die sich gemeinsam mit RubiN für Senioren einsetzen. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Teilnehmern!

Menschen hinter RubiN: Nicole Fischer

Das Rückgrat von RubiN bilden die ausgebildeten Care- und Casemanager (CCM), die mit ihrer engagierten Tätigkeit das Konzept von RubiN in die Tat umsetzen. In unserer niedersächsischen Modellregion Ammerland / Uplengen / Wiesmoor sind sie als Versorgungskoordinatorinnen bekannt. Nicole Fischer ist von Anfang an dabei und hat für uns beantwortet, wie die Arbeit als CCM rückblickend zu bewerten ist.

Frau Fischer, was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit für RubiN?

Ich kann durch das Projekt helfen, wo Hilfe benötigt wird, damit die Betroffenen so lange wie möglich in der Häuslichkeit verbleiben können. Die enge Zusammenarbeit und der intensive Austausch mit den Patienten ohne Zeitdruck ist ebenfalls etwas sehr wertvolles für mich. Auch das ausgewogene Maß an der selbstständigen Arbeit und der Arbeit im Team gefällt mir sehr.

Projekt RubiN wird eine neue Versorgungsform erprobt. Wie viele Abläufe und Methoden haben Sie in den letzten zwei Jahren erlernt?

Es ist unmöglich diese als Zahl zu benennen, denn wir befinden uns in einem stetigen Lern- und Entwicklungsprozess.

Für die wissenschaftliche Auswertung müssen Sie viele Daten sammeln. Wie hat das funktioniert?

Im Großen und Ganzen würde ich sagen ganz gut. Es war allerdings über die gesamte Laufzeit des Projektes ein Auf und Ab und mit viel Kraft und Durchhaltevermögen verbunden. Man hatte zum Beispiel gerade die Dokumentation abgeschlossen und dann gab es eine Neuerung und die gesamte Dokumentation musste wieder angepasst werden. Auch hatte man oft mit der Skepsis der Teilnehmer und deren Angehörigen zu kämpfen, weil einige Daten als zu sensibel empfunden wurden, um diese zu teilen.

Bald endet die Betreuung durch RubiN. Was bedeutet das für Sie? Und wie gehen die von Ihnen betreuten Patienten damit um?

Es ist für mich ehrlich gesagt sehr schwer zu beschreiben. Ich bin traurig und fühle mich auch etwas hilf- und machtlos. Man hat so viel Zeit und Kraft investiert, alles so aufzubauen und nun am Höhepunkt muss man den Teilnehmern sagen, dass sie ab nun wieder auf sich allein gestellt sind. Die Patienten sind ebenfalls sehr traurig. Trotz der Aufklärung zu Beginn war es vielen nicht so bewusst, dass es eine zeitliche Begrenzung gibt. Sie haben Angst davor, wie es sein wird ohne RubiN. Für alle fällt eine wichtige Vertrauens- und Ansprechperson weg.

Gibt es eine Andekdote aus Ihrer Zeit im Projekt, die Sie mit uns teilen möchten?

Wir Koordinatorinnen wurden von Patienten oft namentlich als Frau RubiN benannt 😊.

Menschen hinter RubiN: Lukas Weiss

Einer der Schwerpunkt für eine erfolgreiche Projektumsetzung liegt in der Aufgabe unserer Ausbilder in RubiN. Einer von ihnen ist Lukas Weiss. Der Gesundheitspsychologe und Rettungssanitäter ist für das GeriNet Leipzig tätig und arbeitet im Projekt RubiN als Ausbilder, Supervisor und Coach. Seine Rollen reichen vom Zuhörer über „Fels in der Brandung“ bis hin zum Motivator und Lehrenden. Wir haben ihn gefragt, wie die Ausbildung konzipiert ist und welche Motivation sich hinter seiner Tätigkeit verbirgt.

Herr Weiss, wie läuft die Weiterbildung der Care- und Casemanager im Projekt RubiN ab und was ist dem Ausbilderteam dabei besonders wichtig?

Care- und Casemanager ausbilden klingt erst einmal einfach. Es ist aus wissenschaftlicher und inhaltlicher Sicht entsprechend der aktuellen Studienlage schnell erklärt. Die größte Herausforderung ist das Wissen um eine effizientere Versorgung und das Hinterherhinken der Strukturen und Prozesse im Gesundheitswesen. Daher war meine Aufgabe, die regionalen Versorgungslücken zu erkennen und den Absolvent*innen Schritt für Schritt das richtige Handwerkszeug, die gefüllten Notfallkoffer, je nach Lernphase und Region zur Verfügung zu stellen.

Grundsätzlich gliedert sich unsere Fort- und Weiterbildung in drei Teile. Wir starten, aufgrund von Mittelkürzungen im Innovationsfondsprojekt, mit einer Online-Schulung an die sich anschließend eine einwöchige Theorie-Praxis-Einheit vor Ort anschließt. Da wir innerhalb der Bildungsmaßnahme das didaktische Prinzip des lebenslangen Lernens verfolgen haben wir uns beim Curriculum entschieden in Phase 3 die Auszubildenden zwei Jahre lang begleitend zu coachen. Uns ist hierbei zum einen natürlich das erlernte Fachwissen wichtig, aber auch die persönliche Entwicklung der Absolventen. Da die Aufgabe des Care und Case Managers stetig neue Herausforderungen mit sich bringen ist eine persönliche Weiterentwicklung zur Bewältigung der anfallenden Aufgaben entscheidend.

Nach der Grundausbildung folgt das Coaching. Was ist damit gemeint?

Richtig, in der 3. Phase der Ausbildung starten wir mit 220 Stunden Supervision und Coaching über zwei Jahre. Es wird zwischen Einzel- und Gruppensupervision unterschieden. Im Vordergrund der Einzeltermine stehen vor allem, wie eben bereits erwähnt, die Persönlichkeitsentwicklung und Reflexion des Lernprozesses. Hierbei lernen die Absolvent*innen ihre unterschiedlichen Rollen und deren Entwicklungsstufen kennen und schätzen. Ich als Coach darf den Prozess begleiten und freue mich über jede Lernstufe. Es ist eine spannende und herausfordernde Aufgabe in der Erwachsenenbildung den lebenslangen Lernprozess aufzuzeigen und sich mit den aktuellen Entwicklungen befassen zu dürfen. Die Gruppensupervision befasst sich mit der Aufarbeitung bestehender Fälle. Durch das Lernen und Reflektieren in der Gruppe mithilfe geeigneter Methoden, wie zum Beispiel der kollegialen Beratung lassen sich auch schwere Fälle strukturiert nacharbeiten, und durch die multiprofessionellen Teams vor Ort (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Krankenschwester und Altenpfleger) bekommt man aus allen Fachgebieten ein gutes Feedback und Ideen für die weitere Versorgung.  

Des Weiteren werden sozialrechtliche Lücken und Fehlaussagen im Gesundheitssystem immer wieder deutlich, da eine standardisiertes assessmentgestütztes Casemanagement noch zu wenig Einzug in die aktuelle Versorgungslandschaft erhält.

Der GeriNet e.V. hat schon seit Jahren mit der Ausbildung ehrenamtlicher Helfer zu tun. Inwiefern baut der Lehrplan bei RubiN auf diesen Erfahrungen auf?

Die Entwicklung des Curriculums „GeriNurse“, ist eine stetige Entwicklung aus den Erfahrungen der letzten 7 Jahren gewesen. Schon 2013 haben wir mit der Entwicklung von unseren ehrenamtlichen Übungsleitern für Senioren (GeriNeTrainer) festgestellt, dass viele Senioren nicht umfangreich genug versorgt sind bzw., dass viele nicht wissen, welche Leistungen Ihnen im Gesundheitssystem zur Verfügung stehen. Daraufhin haben wir in den folgenden Jahren ein interprofessionelles Gremium erstellt, welches sich zum Ziel gemacht hat, mithilfe der Care und Case Mangager*innen, eben jene Versorgungslücken zu schließen.

Sie arbeiten jetzt schon mehr als zwei Jahre an RubiN, auch die Vorbereitungen haben Sie begleitet. Warum hat sich diese Arbeit bisher gelohnt?

Nach zwei Jahren Begleitung würde ich mit den Kenntnissen jetzt sagen, dass das Vertrauen in die Absolvent*innen und die aufzubauende Basis sich jetzt schon bezahlt machen. Die Netzwerkstrukturen, welche die Care und Case Manager*innen in Zusammenarbeit mit Ihrer Leitung aufgebaut haben, bilden auf die nächsten Jahre gesehen schon jetzt ein Plus in der heutigen Versorgungslandschaft. Zudem sind die Motivation und Offenheit aller Beteiligten am Prozess entscheidend für ein erfolgreiches Gelingen eines Projektes dieser Größe. Im Mittelpunkt stand und steht die Empathie und die Zusammenarbeit mit den Patienten und den Dienstleistern in jeder Region. Dieses Ziel haben die Case und Care Manager*innen nicht nur erfüllt Sie haben es sogar geschafft, dass RubiN sich als Marke in den Regionen etablierte.

Menschen hinter RubiN: Stefanie Bließ

Der Kern des Projekts RubiN ist ohne jeden Zweifel die Arbeit der Care- und Casemanager, die täglich damit beschäftigt sind, Risikopatienten bestmöglich zu betreuen. Den reibungslosen Ablauf gewährleisten regionale Projektleiter, die es in jeder unserer fünf Interventionsnetze gibt. In der niedersächsischen Modellregion Ammerland / Uplengen / Wiesmoor übt Stefanie Bließ vom Ärztenetz pleXxon die Projektleitung aus. Zum Auftakt unserer Serie „Menschen hinter RubiN“ haben wir sie gefragt, wie die Arbeit der Care- und Casemanager in der Region koordiniert wird.

Frau Bließ, wie sieht Ihr normaler Arbeitstag aus? Welche Aufgaben stehen in den nächsten Tagen an?

Meine täglichen Aufgaben sind sehr vielfältig – jeder Tag sieht anders aus. Das liebe ich an meiner Tätigkeit! Zu meinen Aufgaben gehört es, mein Team zu koordinieren und bei allen Belangen zu unterstützen. Die Umsetzung der Projektziele und Meilensteine werden von mir überwacht und bei Bedarf nachjustiert. Natürlich gehört auch die normale Mitarbeiter-Führung zu meinen Aufgaben, wobei die Motivation des Teams bei uns nicht notwendig ist.

Ein großer und wichtiger Teil meiner Arbeit ist außerdem die Kontrolle sowie das Qualitätsmanagement der Dokumentation. Nur wenn wir unsere Arbeit ausführlich dokumentieren, kann sie erfolgreich ausgewertet werden. Ich muss dafür überprüfen, ob auch wirklich alle erforderlichen Assessments bei den Patienten durchgeführt wurden und ob die Form sowie Inhalt der Dokumentation für die Evaluation ausreichend ist.

Einmal wöchentlich haben wir eine intensive Teambesprechung. Hier werden alle wichtigen Ereignisse der letzten Woche ausgewertet, denn unsere Arbeit ist ein stetiger Verbesserungsprozess. Wir lernen von unseren Fehlern und versuchen, unseren Patienten noch besser zu helfen.

Jeden Tag arbeiten wir an der Fortführung des Projekts. Die Corona-Zeit macht es uns nicht leicht. Eigentlich standen viele wichtige Termine mit den politischen Entscheidungsträgern an, aber die mussten nun alle ausfallen. Ich recherchiere neue Fördermöglichkeiten, wende mich an Gremien sowie Politikern aus der Region und Niedersachsen.

In den nächsten Tagen steht auch die Organisation der RubiN-Veranstaltung für unsere Ärzte und MFAs an. Hier geht es darum, die erreichten Ziele, Erfolge, Stolpersteine und Fehler zu analysieren und auszuwerten. Bei der Veranstaltung werden erste Projektergebnisse präsentiert. Auch ein Netzwerkpartner wird über seine Erfahrung mit RubiN berichten und dabei auf die dringliche Weiterführung von RubiN aufmerksam machen.

Gibt es auch einen regelmäßigen Austausch mit den Projektleitern der anderen Regionen?

Der Austausch mit den anderen Projektleitern ist absolut wichtig und findet regelmäßig statt. Anders als in anderen Projekten haben wir bei RubiN das Glück, dass wir unsere Regionen miteinander vergleichen und voneinander lernen können. Vieles läuft ähnlich ab, aber die Menschen sind überall verschieden. Wir können die regionalen Unterschiede aufzeigen. Außerdem profitiere ich von den Meinungen und Anregungen der anderen Regionen. Wenn man mal nicht weiterkommt, können mir die anderen Projektleiter oft neue Wege zeigen, die sie zum Teil schon erfolgreich gegangen sind.

In anderen Regionen sieht auch die Versorgung unserer Zielgruppe schon besser aus. Das Land Niedersachsen hat sich gegen die Nachbarschaftshilfe § 45a SGB XI ausgesprochen. Die Patienten aus den anderen Regionen mit diesem Rechtsanspruch können davon sehr profitieren und Versorgungslücken können so geschlossen werden. Durch unseren Austausch, kann ich auch Niedersachsen diesen Missstand auszeigen und versuchen, die Dringlichkeit des Rechtsanspruchs auch hier umzusetzen.

Inwiefern bestimmt Corona immer noch Ihre Arbeit?

Ab März hätten wichtige Gespräche und Veranstaltungen mit Politikern stattgefunden, die leider auf unbestimmte Zeit verschoben werden mussten. Diese Gespräche wären so wichtig gewesen, um den Entscheidungsträgern klar zu machen, wie wichtig eine Fortführung unserer Arbeit ist und dass wir eine Finanzierungsmöglichkeit brauchen.

Darüber hinaus muss mein Team auch weiterhin sehr flexibel arbeiten, da immer noch nicht alle Patienten besucht werden können. Trotzdem müssen alle Assessments zu den vorbestimmten Zeitpunkten eingeholt werden. Das bedeutet viel Organisation und Doppelarbeit. Zudem kommt es vor, dass die Patienten auch immer noch sehr unter der Isolation leiden. Deshalb versuchen wir vermehrt, uns um diese Patienten zu kümmern.

Wie erleben Sie das Feedback der betreuten Risikopatienten in Ihrer Modellregion?

Sie sind sehr dankbar, dass sie uns haben. Die Zeit verunsichert die Patienten sehr. Wir betreiben weiterhin viel Aufklärungsarbeit und machen den Patienten deutlich, dass sie weiterhin sehr vorsichtig sein müssen. Aber wir wissen auch, dass Vereinsamung ein enormer Risikofaktor für weitere Erkrankungen ist. Bereits vor der Coronazeit haben vereinsamte Menschen einen großen Hilfebedarf gezeigt. Die Pandemie hat dies noch mehr verstärkt. Wir versuchen, die Menschen über das Telefon zu vernetzen, einige dieser Patienten werden regelmäßig von unseren Koordinatorinnen angerufen.

Es ist auch noch zu sagen, dass bestimmte Gesundheits- und Versorgungprobleme durch Corona verstärkt wurden. Viele unserer Patienten waren stark belastet, weil beispielhaft keine Aufnahme eines dementen Angehörigen in der Tagespflege stattfinden. Es ist zum Teil immer noch schwer, eine gute Versorgung zu organisieren.

Zum Jahresende werden die Fördergelder für RubiN auslaufen. Welche Folgen hat das für die Menschen in Ihrer Region?

Leider sehr große. Unsere teilnehmenden Patienten erkundigen sich regelmäßig, ob eine Lösung gefunden wurde. Sie wissen nun, wie RubiN sie unterstützen kann und nehmen diese Leistung intensiv in Anspruch. Unsere Patienten spiegeln uns wider, dass sie sich schon immer so einen „Dienst“ gewünscht und oft schon viel früher gebraucht haben. Vielen konnten wir dabei helfen ihren Lebensmut, Freude und Aussicht auf einen lebenswerten letzten Lebensabschnitt zurückzuerlangen.

Wir wussten von Anfang an, dass die Laufzeit begrenzt ist. Deshalb war unser Ziel, die Teilnehmer für die Zeit nach dem Projekt vorzubereiten: Dazu gehören eine Beratung zu allen wichtigen Leistungsansprüchen, der Patientenordner, die Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht wie auch ein Hinweis auf alle wichtigen Beratungsstellen. Aber aus der Erfahrung wissen wir, dass geriatrische Patienten oft in Krisensituationen mit all diesen Angeboten überfordert sind und so eine Inanspruchnahme der Beratungsangebote oft nicht stattfindet. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie diese Fälle in Zukunft wieder verlaufen und wie einige Menschen erneut durch das Raster fallen werden. Die Fälle sind meistens sehr komplex, weil mehrere Leistungserbringer und die Wünsche des Patienten koordiniert werden müssen. Das kann nur zufriedenstellend und erfolgreich durch ein Casemanagement organisiert werden. Nach RubiN gibt es das einfach nicht mehr. Das ist sehr traurig und nicht richtig!

Inzwischen haben alle in der Region Beteiligten die Vorteile von RubiN erkannt und schätzen gelernt. Ärzte und Pflegedienste etwa nehmen uns immer mehr in Anspruch und empfehlen uns weiter. Da fällt es schwer nun zu sagen, dass wir nicht mehr weiterhelfen können. Denn oft sind diese Leistungserbringer die Verlierer im System, an denen viel Arbeit hängen bleibt, die sie aufgrund von Zeitmangel nicht koordiniert oder bezahlt bekommen.

Mit dem GPVG scheitern Innovationsfondsprojekte weiter an der Überführung in die Regelversorgung

  • Die im Innovationsfondsprojekt RubiN beteiligten Praxisnetze lehnen die Regelungen des GPVG ab, wonach die selektivvertragliche Fortführung von Versorgungsmodellen als Regelversorgung umgedeutet werden soll.
  • Aus patientenorientierter Sicht ist ethisch nicht vertretbar, die Hilfen für Hochbetagte von Kassenzugehörigkeit und Wohnort abhängig zu machen und diese damit zum Spielball des Kassenwettbewerbs zu erklären.
  • Das Beispiel des Projekts RubiN macht klar, warum neue Versorgungsformen aus dem Innovationsfonds über Selektivverträge nicht in der Regelversorgung ankommen.

Göttingen, 23. September 2020. Im August hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen Entwurf für ein Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG) präsentiert. In seiner Stellungnahme mahnte bereits der Bundesverband Managed Care (BMC), dass für Krankenkassen kein Anreiz für die vom BMG gewollten gemeinsamen Selektivverträge erkennbar ist. Für die Patienten, die auf die Hilfestellung aus solchen Verträgen angewiesen sind, kann das fatale Auswirkungen haben. Deutlich wird das am Beispiel des Innovationsfondsprojekts RubiN.

Im Projekt RubiN (Regional ununterbrochen betreut im Netz) helfen Patientenlotsen, so genannte Care- und Casemanager, mehr als 3.200 Risikopatienten im Alter über 70 Jahren bei einer möglichst selbstständigen Lebensweise im eigenen häuslichen Umfeld. Die Hinweise auf den meist erheblichen Hilfebedarf kommen von behandelnden Hausärzten und beziehen häufig das ganze familiäre Geflecht mit überforderten Ehepartnern und hilflosen Kindern ein. Nicht selten müssen Care- und Casemanager für Patientensicherheit sorgen und Notfallsituationen wie Selbst- und Fremdgefährdung meistern. „Gerade Corona hat uns gezeigt: Die Besuche unserer Mitarbeiter sind oft die letzten Rettungsanker, denn viele alte Menschen leben allein und isoliert“, berichtet Lysann Kasprick, Ausbilderin bei RubiN.

Flächendeckend fortführen ließe sich diese Arbeit nach dem Auslaufen der Innovationsfonds-Förderung unter den Bedingungen des GPVG nicht. Kommen neue Selektivverträge zustande, könnten nur Versicherte der teilnehmenden Kassen versorgt werden und nur ein Bruchteil der Care- und Casemanager ihre Arbeit fortsetzen. Das Ergebnis ist ein bürokratischer Flickenteppich.

„Wir sehen uns damit konfrontiert, dass wir Fälle abweisen müssen, die unsere Hilfe dringend benötigen. Das ist in meinen Augen weder patientenorientiert noch ethisch vertretbar und kann schon gar nicht mit dem Wettbewerb der Krankenkassen gerechtfertigt werden,“ meint Claudia Beckmann, Netzkoordinatorin im Projekt RubiN.

Allein für das Projekt RubiN wurden Beitragsgelder von über acht Millionen Euro investiert – mit dem Ziel, diese neue Versorgungsform in der gesetzlichen Krankenversicherung zu erproben und zu evaluieren. „Es ist sehr schade, diese regional flächendeckenden Versorgungsstrukturen durch potenzielle Selektivverträge der Bedeutungslosigkeit anheimfallen zu lassen“, bedauert Katja Götz, Professorin für Primärversorgungsforschung der Universität zu Lübeck.

Für die Überführung in die Regelversorgung ist vom Gesetzgeber neben der wissenschaftlichen Evaluation anschließend eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgesehen. Die Dauer dieser Prozesse bedeutet, dass mühsam aufgebaute Strukturen in der Zwischenzeit mangels Finanzierung verloren gehen. Deshalb haben die Praxisnetze, die hinter dem Projekt RubiN stehen, bereits vor Monaten einen anderen Weg beschritten und eine Gesetzesinitiative gestartet. Ihrer Ansicht nach muss das Care- und Casemanagement als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen werden.  Das RubiN-Team ist sich einig: „Die aktuelle Situation zeigt uns, dass unsere Gesetzesinitiative der einzige Weg ist, mit dem wir dringend benötigte Hilfen für alle gesetzlich Versicherten einführen können.“

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Weniger Schwindel, mehr Lebensqualität

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Weg zum Bäcker und schlagartig dreht sich die Welt um Sie herum. Sie verlieren die Kontrolle über Ihre Beine und gehen in die Knie. Zudem wird Ihnen schlagartig sehr übel, Sie haben keine Orientierung mehr über oben, und unten, oder links und rechts. Situationen wie diese beschreiben bis zu 50 Prozent aller Senioren im Alter über 70 Jahren. Es handelt sich um eine Schwindelattacke.

Leider tritt dieses Symptom so oft auf, dass es häufig als allgemeines Begleitsymptom des Alters gewertet und einfach akzeptiert wird. Bei Menschen über 75 Lebensjahren ist Schwindel sogar als das am häufigsten geäußerte Leiden . (Neuhauser, H. K. (2009). Epidemiologie von Schwindelerkrankungen. Der Nervenarzt, 80(8), 887-894.

Im Projekt RubiN legen wir mit unseren Care- und Casemanagern Wert auf eine genaue Abklärung und Diagnostik. Wenn unsere Care- und Casemanager im Rahmen eines Assessments oder im persönlichen Gespräch erfahren, dass ein Patient unter Schwindel leidet, gehen wir der Sache konsequent nach. Der erste Schritt ist dabei die Abklärung, um welche Form des Schwindels es sich handelt. Dabei wird zwischen Dreh- (kreisförmig), Schwank- (links-rechts) oder Liftschwindel (hoch-runter) unterschieden. Anschließend erfolgt eine Rückmeldung an behandelnden Hausarzt, denn die Ursachen und Zusammenhänge mit anderen Symptomen sind komplex und vielfältig, können aber in vielen Fällen einfach behoben werden.

Der sogenannte „gutartige Lagerungsschwindel“ – eine der häufigsten Arten bei älteren Menschen, – kann beispielsweise in vielen Fällen selbstständig durch den Patienten aufgelöst werden. Dabei kommt ein einfacher Bewegungsablauf, bekannt als „Epley-Befreiungsmanöver“ zum Einsatz, den unsere Care- und Casemanager beherrschen und an unsere Patienten weitergeben können.

Wir unterstützen unsere Patienten dabei, die Einschränkung der Lebensqualität nicht einfach hinzunehmen. Auch wenn das Symptom im Alter verbreitet ist, wollen wir es nicht als Normalität akzeptieren. Deshalb nehmen unsere Care- und Casemanager den Schwindel ernst – ganz nach dem Motto: Weniger Schwindel, mehr Lebensqualität!